Zwischen Kunst in und Kunst der Natur
Ein kurzes Stück nur, so hatte ich mir vorgenommen, gehe ich heute auf dem Barbarossaweg spazieren. Ein Fernwanderweg mit einer besonderen touristischen Attraktion, nämlich dem Ars Natura. Der X8, also der Barbarossaweg von Korbach zum Kyffhäuser mit dem Ars Natura, verläuft etwa 80 Meter oberhalb meiner einstigen Wohnung am Dorf Wickersrode vorbei. Mal einen Eindruck von der vielgepriesenen und bereits 150 Kilometer langen "Kunstmeile" im Wald, die ständig erweitert wird, gewinnen, ein paar Fotos machen.
Nun, ich wohnte noch nicht lange dort, war noch eher Tourist als Einwohner. Und so habe ich mir eine detaillierte topografische Karte besorgt, im sehr brauchbaren Maßstab 1: 25.000 und begebe mich direkt vom alten Küchendorf Wickersrode in Richtung des uralten historischen Höhenwegs. Karten lesen kann ich durchaus, aber wenn die für diese Gegend einzig verfügbaren Wanderkarten aus dem Jahre 1994 stammen, kann man im Jahre 2009 selbst in der als Hessisch- Sibirien bekannten Gegend um das etwa 5 Kilometer entfernte Dorf Reichenbach schon einmal in eine Sackgasse geraten. Selbst hier hat sich in den letzten 15 Jahren etwas geändert. Natürlich ist der X8er sorgfältig markiert, aber selbstverständlich ist nicht vorgesehen, diesen Weg auch von Orten zu erreichen, in denen es nicht einmal mehr ein Gasthaus oder einen Kiosk gibt, geschweige denn eine vernünftige Netzanbindung für Handy und vor allem Internet. Anders ausgedrückt, den Weg findet man vor allem dann, wenn man schon sehr dicht dran, am besten sogar drauf ist. Aber ich wußte ja, wenn man immer nach oben geht, muss man auf den Barbarossaweg stoßen. Und so schlug ich mich nun durch Wald und Gestrüpp, dem auf der Karte für 1994 verzeichneten und inzwischen verschwundenen Weg leidlich folgend, um nach beinahe einer halben Stunde und vielleicht 500 Meter Aufstieg schwitzend und ein wenig außer Atem auf dem breiten, bequemen Höhenweg zu landen.
Uralte Fernverkehrsrouten
Höhenwege sind, wie alle alten Wegstrecken recht verzweigt. Es handelt sich letztendlich um ein Netz sich trennender und wiedertreffender Wege, die letztendlich nur eines gemeinsam haben: das Ziel also den nächsten Ort. Wobei gerade bei den historischen Fernrouten, wie es der Barbarossaweg die Franzosenstraße, die Langen und Kurzen Hessen oder die Sälzerstraße sind, die Wege meist gar nicht durch die Zielorte, sondern an ihnen vorbei führen. Die jeweiligen Orte erreicht man durch entsprechende Zubringer. Dementsprechend besteht auch der Barbarossaweg mitnichten nur aus der durch das X8 markierten Strecke, sondern durch ein ganzes Bündel historischer Wege, die zu entdecken und von den neu angelegten Waldwirtschaftswegen zu unterscheiden schon recht spannend ist.
Kunst im Wald
Aber diesmal war ich ja auf der Suche nach der Kunst im Wald, die nach Willen der ländlichen Tourismusmanager, Massen an zahlungskräftigen Urlaubern in die hessischen Berge des Nordens locken sollen. Und warum auch nicht, schließlich ist da wirklich das eine oder andere originelle Werk dabei. Und wer damit nichts anfangen kann, findet nicht nur auf dem Ars Natura, sondern überall in der Region echte Naturkunst, Kunst, die die Natur selbst geschaffen hat, die die Fantasie anregt, die sagenhafte Gestalten und Geschichten beim Betrachter entstehen und gar nicht erst die Frage aufkommen lassen: "was hat sich der Künstler wohl dabei gedacht?"
Erlebnis Entschleunigung
Ich habe den Ars Natura auf dem wirklich kurzen Spaziergang genossen, auch wenn ich auf dem Weg zum gerade einmal 2 Kilometer entfernten Vockerode unglaublich viel Kunstwerke entdeckt habe, Kunstwerke, für die die Künstler und Initiatoren des Ars Natura offensichtlich keinen Blick haben.
Wandern in dieser wunderbaren Ecke in Deutschlands Mitte ist keine Sache von "Kilometer machen". Dazu gibt es hier viel zu viel zu entdecken.
Küchendorf: Orte, die einen Herrschaftssitz mit Lebensmitteln versorgen mußten und dafür bestimmte Privilegien erhielten.
Reichenbach: Frühmittelalterlicher Herrschaftssitz, heute Teil von Hessisch Lichtenau bei Kassel.
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