Dienstag, 6. August 2013

Anleitung zum Beschwören von Geistern: Unibibliothek entziffert Zauberhandschrift

(Pressemitteilung Uni-Kassel, 6.08.2013) Seit letztem Jahr besitzt die Unibibliothek ein rätselhaftes Manuskript. Kasseler Wissenschaftlerinnen knackten nun den Code der Geheimschrift und übersetzen den gesamten Text. Auf knapp 90 Seiten erstreckt sich der geheimnisvolle Text. Statt Buchstaben enthält er chiffrierte Schriftzeichen, dazwischen Planetensymbole und Zeichnungen von Geistern. Als Dr. Konrad Wiedemann, Leiter der Handschriftenabteilung, das Manuskript in Witzenhausen von einem Privatmann erwarb, konnten er und seine Kasseler Kolleginnen schnell sagen, dass das Buch aus dem späten 18. Jahrhundert stammt. Doch was darin steht, blieb lange ein Rätsel, daher nannten sie das Manuskript „Zauberhandschrift“.


Dr. Brigitte Pfeil, stellvertretende Leiterin der Handschriftenabteilung und Sabina Lüdemann, Leiterin der Hessischen Abteilung der Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek, suchten nach Hinweisen, um den Text einzuordnen. Eine Spur führte zu den Freimaurern, die Ende des 18. Jahrhunderts in Kassel aktiv waren. „Eine Vermutung war, dass das Manuskript vielleicht als Sendschreiben diente, um Nachrichten zu überbringen“, erklärt Pfeil. „Doch der Text enthält andere Zeichen, nicht das Freimaureralphabet.“

In einer ruhigen Stunde kam der Arabistin Lüdemann dann der Geistesblitz: Sie entdeckte ein relativ einfaches Verschlüsselungssystem. Hinter jedem Zeichen steckt ein einzelner Buchstabe. Die Zeichen ähneln grafisch sogar teilweise dem Grundbuchstaben, den sie ersetzen. Dem A fehlt beispielsweise nur der Querbalken, das s ist wie eine 6 realisiert, das d ist ein Quadrat mit Strich darüber. „Mit etwas Übung lässt sich der Text ganz einfach lesen“, freut sich die Mediävistin Pfeil, die gemeinsam mit Lüdemann schon das gesamte Buch transkribiert hat.

Und nun wird endlich klarer, was hinter den Zeichen verborgen liegt: „Das Buch ist eine Anleitung zum Herbeirufen von Geistern. Es gibt praktische Anweisungen, enthält Zaubersprüche und Beschwörungsformeln. Die Geister sollen dabei helfen, irdische Schätze wie Silber und Gold zu finden“, erklärt Pfeil.

Der Text ist dichtgedrängt mit religiösen Referenzen. Gottesnamen tauchen in verschiedenen Sprachen wie Deutsch, Griechisch, Latein und Hebräisch auf. Erzengel, Engelschöre und Jesus Christus kommen vor. „Es ist auch viel Hokuspokus dabei. Doch vorwiegend finden wir religiös-christliches Vokabular. Das legt nahe, dass der Autor aus dem christlichen Kulturkreis kommt“, erklärt Lüdemann. Was genau mit der Schatzsuche gemeint ist – ob es sich um einen ‚realen‘ Schatz oder einen Schatz im übertragenen Sinne handelt, ist noch zu interpretieren.
„Wir sind uns inzwischen aber immer noch nicht sicher, ob es sich um eine Handschrift aus dem Umfeld der Freimaurer oder der Rosenkreuzer handelt, einem Geheimbund in kabbalistisch-mystischer Tradition“, erklären die beiden Wissenschaftlerinnen. „Das Manuskript passt aber gut in den Kontext des gesteigerten Interesses an Mysterien, Alchemie, Magie und Schatzgräberei Ende des 18. Jahrhunderts.“

Ob die verwendete Geheimschrift einem gängigen Rosenkreuzer-Code entspricht oder eine andere Verschlüsselungstechnik genutzt wurde, überprüfen die Fachreferentinnen Pfeil und Lüdemann derzeit.

Die „Zauberhandschrift“ im Original ist in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek einsehbar.

Das komplette Manuskript steht im Internet und Bilder können heruntergeladen werden unter: http://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1374150101659/3/

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