Dienstag, 19. Januar 2016

Neue und alte Katzenmärchen aus Nordhessen

Brüder Grimms Katzen - Inhalt und Leseprobe

Mit Brüder Grimms Katzen führt der Autor des kleinen aber feinen Büchleins auf die Spur der Samtpfoten in Märchen, Sagen und Fabeln der hessischen Märchensammler und ihrer Freunde. Dem Leser begegnen in moderner Form wiedergegeben nicht nur der gestiefelte Kater, die Katzen der Frau Holle oder die Staatskatz und Staatsratz aus Clemens Brentanos Rheinmärchen. Mit der Katzenfrau vom Hellkopfsee, der Schlosskatze zu Berlepsch, der Brückenkatze von Witzenhausen der Geschichte von Dornröschens Katze und vielen mehr, fügt der Autor der grimmschen Sammlung auch noch eigene sehr originelle Märchen, Sagen und Fabeln hinzu. Dabei darf der Leser auch gleich noch die märchen- und Sagenhaften Orte der nordhessischen Grimmheimat kennenlernen. Beispielhaft seien hier nur die Löwenburg, Schloss Berlepsch, die Burgen der Riesinnen Saba, Brama und Trendula und die Totenkirche von Abterode genannt.
Mit über 50 modernen und historischen Illustrationen.


Inhaltsverzeichnis

Brüder Grimms Katzen
Dichtung und Volksglauben
Die Katzenfrau vom Hellkopfsee
Das Katzenmädchen
Der gestiefelte Kater und die Löwenburg
Die Schlosskatze zu Berlepsch
Dornröschens Katze

Flussmärchen mit Katze
Wie des Müllers Traum wahr geworden
Der rote Kater und die graue Katze
Die Brückenkatze von Witzenhausen

Katzenfabeln
Der Fuchs und die Katze
Der geschwätzige Kater
Vom Fuchs und dem Luchs

Die Katzen der Totenkirche von Abterode
Die Höllenkatzen vom Hohen Meißner
Im Palast der Wilden Holl
Die wilden Katzen im Holleland

Leseprobe aus: Dornröschens Katze
 
 . . .Nun, die böse Alte hätte sich nicht vordrängeln sollen. Denn die letzte Zauberin entschärfte den Fluch: »Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt«.
Auch das war dem König natürlich noch viel zu schlimm. Und so tat er, was alle Herrscher in brenzligen Situationen zu tun pflegen, er sprach ein Verbot aus und verbannte sämtliche Spindeln aus seinem Königreich. Natürlich hätte er sich das sparen können. Denn pünktlich zum fünfzehnten Geburtstag stromerte die Tochter durch das Schloss, gelangte in ein kleines Stübchen in dem eine alte Frau Flachs spann, grapschte nach der sich lustig drehenden Spindel, stach sich in den Finger und fiel zunächst auf ein zufällig herumstehendes Bett und dann – samt aller Menschen und Tiere im Schloss - in den bekannten hundertjährigen Schlaf. Um das Schloss herum wuchs eine undurchdringliche Dornenhecke in der immer wieder Prinzen ihr Leben ließen, die versuchten, zur sagenhaften Prinzessin zu gelangen. Das Timing des letzten Jünglings, der unbedingt die schöne Prinzessin sehen wollte, war perfekt, denn die hundert Jahre waren gerade um. Und so teilte sich die Hecke vor ihm, so dass er ungehindert ins Schloss gelangen und vorbei an den im Tiefschlaf erstarrten Bewohnern in das Turmstübchen stiefeln konnte. Dort lag die Prinzessin kussbereit aufgebahrt. Der Kuss, ein Blick und der Bann war gebrochen. Alle wachten wieder auf, waren glücklich und der Königssohn und die fünfzehnjährige Prinzessin feierten eine prächtige Hochzeit und lebten vergnügt bis an ihr Lebensende.
Und die böse Zauberin?

Mit dieser Frage soll sich mein märchenhafter Beitrag zu Grimms Dornröschen befassen und die Teile der Geschichte aufgreifen, die die Grimms ihren Lesern offensichtlich vorenthalten haben. Als die dreizehnte Zauberin von der Geburt der Königstochter hörte, freute sie sich sehr. Immerhin hatte sie der badenden Königin den in einen Frosch verzauberten Liebhaber geschickt, um dem Königspaar seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. Lange genug hatte sich die Königin bei der Zauberin ja über die Zeugungsunfähigkeit ihres Mannes ausgeheult und um Hilfe gebeten. Und nun war ausgerechnet sie nicht zur großen Feier geladen worden. Sie war also zum Schloss geeilt, hatte sich in Gestalt ihrer Katze an den Wachen vorbeigemogelt und – wieder in ihre wahre Gestalt zurückverwandelt, sonst hätte der Fluch keine Wirkung gehabt - die bekannte Verwünschung ausgestoßen. Auf die gleiche Art wie sie gekommen war, kehrte sie in ihre Hütte in den Tiefen des Reinhardswaldes zurück.
„Du hast wieder meine Gestalt für deine bösen Streiche missbraucht“, wurde die Zauberin von ihrer Katze begrüßt, „du weißt, dass du das nicht tun sollst, du bringst meine ganze Art in Verruf. Irgendwann wirst du es bitter bereuen“, fauchte das große getigerte Katzentier.
„Hab dich nicht so“, entgegnete die Hexe, nach ihrer bösen Tat mit sich und der Welt zufrieden, „du kannst es ja doch nicht verhindern.“
Die Hexe spielte mit ihrer murmelgroßen Zauberkugel und grübelte darüber nach, wie sie ihrem Fluche zum Erfolg verhelfen konnte. Ihr war klar, dass der König sämtliche Spindeln im Lande verbieten würde. Als der fünfzehnte Geburtstag der Prinzessin gekommen war, machte sie sich wieder auf den Weg zum Schloss. Sie kannte sich gut dort aus, schließlich hatte sie die letzten Jahre dazu genutzt, das Gemäuer in Gestalt ihrer Katze bis in die kleinsten Winkel zu erkunden. Sie hatte sich sogar mit der Königstochter angefreundet und mit ihr in den Gemächern, Gängen und Treppenhäusern regelmäßig fangen gespielt. Und so war es nicht schwer, zunächst die Zauberspindel und Flachs in der vergessenen Turmkemenate zu deponieren und das junge Mädchen anschließend als spielende Katze quer durch das Schloss genau dorthin zu locken. Als die Prinzessin den rostigen Schlüssel der Tür zur geheimen Kammer umgedreht und die Tür aufgestoßen hatte, da saß die böse Hexe bereits als alte harmlose Frau ganz entspannt auf ihrem Hocker und ließ voller Vorfreude die Spindel tanzen . . .

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