Samstag, 22. August 2009

Die phantastischen Kunstwerke der Natur

Eine Fotosafari auf den Spuren des Kyrill

Als im Jahre 2007 der Orkan Kyrill über das Land jagte, da hatte er auch in den Gebieten zwischen Fulda und Werra ganze Waldflächen umgelegt. Forstschäden, wirtschaftliche Katastrophe, das waren die Schlagworte, mit denen die Folgen des Jahrhundertsturms kommentiert wurden. Tatsächlich erinnern die Kahlschläge in den nordhessischen Mittelgebirgswäldern noch heute manchmal eher an Kriegsfolgen, betrachtet man die vereinzelten, toten Baumskelette, die wie Mahnmale in den Himmel ragen und die überall herumliegenden ausgerissenen und abgestorbenen Wurzelteller, die noch immer scheinbar verzweifelt den roten, festen Boden und Geröll zwischen ihren erstarrten Fingern festkrallen.



In Wirklichkeit aber hat nicht die Natur, sondern lediglich der Mensch mit dem Orkan seine Katastrophe erlebt. Für die Natur war der Orkan –wie jedes elementare Ereignis- eine gute Gelegenheit zum Neuanfang. Und nun entwickelt sich auf einem Teil der zerstörten Waldflächen eine Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren, die in den ordentlich gehegten und gepflegten Wirtschaftswäldern gar keine Chance hatte. Pionierpflanzen besiedeln die brachen aber eben auch sonnengetränkten Flächen und bieten zahlreichen oft seltenen Insekten und Kleintieren Schutz und Nahrung. Die umgestürzten Baumleichen, vorbereitet von Pilzen aller Art dienen als Nahrung für die neue Vegetation, die sich in einer unglaublichen Fülle an Blüten, Farben, Kräutern und Sträuchern ausdrückt. Man muss kein Botaniker sein, um die Dynamik der Evolution in diesen von der Natur neu eroberten Bereichen zu begreifen. Und auch, um einfach Freude an der Vielfalt der Formen und Farben, letztendlich an der Phantastischen Kunst der Natur zu haben, die selbst in ihrem Untergang noch zu leben scheint, bedarf es keiner Fachkenntnisse. Für botanisch Vorgebildete sind diese Gebiete zudem eine wahre Fundgrube. Denn wie beispielsweise auch in der sorgfältig rekultivierten Vockeröder Wacholderheide, finden sich überall seltene, teilweise auch bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die nun, Kyrill sei Dank, eine neue Lebensgrundlage gefunden haben.

Eine Fotosafari auf den Spuren des Kyrill lässt sich an vielen Orten im Gebiet um Werra, Fulda und Messner machen. Man muss nicht einmal lange suchen. Die hier gezeigten Bilder stammen von einer Wanderung auf den rund 536 Meter hohen Rohrberg in der Nähe von Hirschhagen bei Hessisch Lichtenau, von dem aus man einen wunderbaren Blick nicht nur auf den Hohen Meissner, sondern auch die umliegenden Berge und Höhenzüge hat.

Dass sich Hessisch Lichtenau als Tor zum Holle- Land bezeichnet, und damit vor allem den hohen Meissner meint, trägt vielleicht neben den phantastischen Formen und Farben die sich dem Auge präsentieren auch ein wenig dazu bei, beim Anblick der Naturkunstwerke die Phantasie spielen zu lassen. So fällt es nicht schwer, beispielsweise in aus der tiefen Wiese herausragenden gekrümmten und bereits ausgeblichenen Ästen die Hörner eines mächtigen Fabeltieres zu sehen, während sich ein auf dem Rücken liegendes vorsintflutliches Holzmonster verunsichert am Kopf zu kratzen scheint. Ein ausgeblichener, verpilzter und zersplitterter Baumstumpf vielleicht doch eine geheimnisvolle Burg winziger Elben? Und der Kopf welchen Waldgeistes verbirgt sich wohl unter der grünen Naturstrickkappe?
Na ja, nicht jeder muß gleich anfangen zu phantasieren, aber immerhin befinden wir uns hier an der Märchenstraße.

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