Montag, 10. Oktober 2016

Das Eschweger Zinnfigurenkabinett

Eine spannende Reise in die regionale Vergangenheit


Zugegeben, vor allem wegen des ansprechenden Prospektes wollten wir schon immer einmal das Zinnfigurenkabinett in Eschwege besuchen. Es gab allerdings immer etwas Wichtigeres, so dachte ich jedenfalls. Mal war das Wetter zu schön, um ins "Museum" zu gehen, mal war es zu schlecht, um extra für eine Ausstellung, die - so meine Vorstellung - vor allem massenweise Zinnsoldaten präsentiert, von Witzenhausen nach Eschwege zu fahren. Und nicht zuletzt war es nicht immer so einfach, unsere Freizeitaktivitäten mit den Öffnungszeiten des Zinnfigurenkabinetts in Übereinstimmung zu bringen. Am vergangenen Sonntag aber war es so weit. Gezielt machten wir uns auf den Weg . . . und irrten zunächst einmal in der Stadt herum. Hinweisschilder gab es durchaus, die aber muss der Ortsunkundige erst einmal finden. Während wenigstens der Weg zur nahegelegenen Tourismusinformation sinnvollerweise an jeder entscheidenden Stelle behinweist wird, sind die Verantwortlichen beim Zinnfigurenkabinett deutlich sparsamer vorgegangen. Eine freundliche Dame, die von ihrem Fenster aus unsere verzweifelte Suche beobachtete, gab uns schließlich den entscheidenden Hinweis. Es erwartete uns eine außerordentlich positive Überraschung.

Einschiffung hessischer Soldaten nach Amerika
Klar, die Unmengen durch beleuchtete Schaukästen marschierenden Zinnsoldaten gibt es dort auch. Was den Blick des weniger militärisch angehauchten Besuchers allerdings in jedem der fünf Stockwerke wie magisch anzieht, sind die großen und kleinen Dioramen mit ihren unzähligen Detailszenen. Nein, der Prospekt mit seinen Fotos des eindrucksvollen Zinnfigurbelebten Großdioramas "Eschwege 1637" verspricht nicht zuviel. Im Gegenteil, in den fünf Stockwerken der Kemenate verführen die mehr als 200 Dioramen mit insgesamt rund 15.000 Zinnfiguren den Besucher, sich in den dargestellten Zeiten, Orten und Ereignissen zu verlieren.
Szene aus dem Großdiorama "Eschwege 1637"
Kaum glaubt man, eine Szene nach ausgiebiger Betrachtung verlassen zu können, da fällt das Auge schon wieder auf ein bislang unentdecktes Detail. Und wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat, in die liebe- und auch humorvoll gestalteten Dioramen einzutauchen, dann wird bei lediglich drei Stunden Öffnungszeit (Mittwoch, Samstag, Sonntag 14.00-17.00 Uhr) die Zeit schon bedenklich knapp, weitere Besuche sind programmiert.

Direkt an der Informationsquelle

Den Erbauer der meisten hier ausgestellten Dioramen, den Wanfrieder Robert Köcher, kann der Besucher oft selbst im Kabinett antreffen. Durch dessen kompetente Führungen, bereitwillige Informationen und offene Art bietet der Besuch im Kabinett nicht nur einen opulenten Augenschmaus, eine optisch unterhaltsame Reise in die Vergangenheit, sondern auch eine gehörige Portion kurzweiligen Geschichtswissens.
Szene aus dem Diorama des Eschweger Hafens
Und das nicht nur so allgemein. Denn Köcher hat beispielsweise auch das imposante Diorama des Eschweger Hafens aus dem 18. Jahrhundert angefertigt und entpuppte sich auch hinsichtlich der Werraschifffahrt als Gesprächspartner, der mich mit aktuellen Informationen überraschen konnte. Am 20.10.2016 halten er und der Eschweger Stadtarchivar Karl Kollmann übrigens in Melsungen einen Vortrag "1000 Jahre Schifffahrt auf Werra und Fulda". Eigentlich sind weitere Vorträge in anderen Orten der Region vorgesehen, mit viel Glück erfährt man deren Termine rechtzeitig aus der regionalen Presse.

Geheimtipp für Sammler und kulturgeschichtlich Interessierte

Szene zur Pest im 15. Jahrhundert. Ausschnitt aus einem kleineren Diorama, in unterer Höhe.
Das Eschweger Zinnfigurenkabinett ist in jedem Fall ein echter Geheimtipp. Und das beileibe nicht nur, weil der Ortsunkundige ein wenig danach suchen muss. Leider ist das Gebäude für die optimale Präsentation der vielen spannenden Dioramen zu klein. Für so manches Kleinod muss sich der Besucher doch stark bücken oder am besten auf die Knie begeben. Angesichts der vielen Aktivitäten, themenbezogenen Sonderausstellungen, Veranstaltungen und vor allem auch der historischen Hintergründe zu den einzelnen Szenen, darf man dem Kabinett die baldige Erstellung eines eigenen Blogs wünschen. Dem, was die Kemenate in der Hospitalstraße 7 direkt neben dem Parkhaus gegenüber der Touristeninfo alles zu bieten hat, wird die offizielle Präsentation im Rahmen der werratal-tourismus Internetseite nicht einmal ansatzweise gerecht.

Fotografische Impressionen

Weiterer Ausschnitt des Pest-Dioramas
Detail aus  dem Großdiorama

Hinterhofszene aus dem Großdiorama

Aus dem Großdiorama
Szene aus dem großen Hafendiorama

Szene aus dem großen Hafendiorama

Die Wasserrutsche aus dem großen Hafendiorama
Alle Fotos von Wolfgang Schwerdt

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